Pascal Merz Sursee

Standpunkte

Endlich ist Luzern Briefkasten-Hochburg

Die Luzerner Zeitung schreibt in der heutigen Ausgabe auf der Frontseite von mehr Firmenansiedlungen, die entsprechend zu mehr Kriminalität führen. Daneben schreibt Lukas Nussbaumer in Leitkommentar von positiven Effekten, welche die Tiefsteuerpolitik auf die Firmenansiedlungen im Kanton Luzern habe. Definitiv siedeln sich mehr Firmen im Kanton Luzern an, bleibt höchstens die Frage nach der Qualität.

Quantität ist bekanntlich nicht gleich Qualität. Ein Indiz dafür ist die ansteigende Wirtschaftskriminalität. Das phänomenale Wachstum der Briefkastendichte sogenannter Briefkastenfirmen von über 40% in drei Jahren scheint die schmerzhaften Einschnitte der verschiedenen Sparpakete irgendwie auch nicht vergessen zu machen. Vielleicht würden die Sparübungen im Glanze eines von Swarovski Kristallen verzierten Briefkastens verblassen. Für mich sind dies weitere Indizien, dass der Kanton Luzern mit der Discount-Tiefpreissteuerstrategie für Unternehmen auf dem Holzweg ist.

Weitere Spareinschnitte in Bildung und Infrastruktur jedenfalls keine nachhaltige Option. Darunter leiden die Schwächsten und gleichzeitig die Qualität des Kantons Luzern als Standort. Eine Anpassung der Unternehmens-Gewinnsteuer je Einheit von aktuell 1.5% auf 2.25% ist in dieser Situation mehr als angebracht. Ich bin mir bewusst, dass dieser Schritt das rasante Wachstum an Briefkasten Firmen stark bremsen würde, aber mir liegen die Menschen im Kanton Luzern definitiv mehr am Herzen.

Weniger Sparpaketionitis, mehr Nachhaltigkeit

Niemand hat grundsätzlich etwas gegen tiefe Preise einzuwenden, zumindest wenn dieser jemand auf der Käuferseite steht. In der reichen Schweiz lebt durchaus eine erhebliche Zahl an Menschen, die auf tiefe Preise angewiesen sind. Insofern haben Discounter durchaus ihre Berechtigung. Wenn jedoch für tiefe Preise Löhne gedrückt, Menschen „nur“ noch in Teilzeit beschäftigt oder im schlimmsten Fall zu sogenannten Working Poor werden, ist diese Entwicklung nicht nachhaltig. Wenn Unternehmen aufgrund von ruinösen Preiskämpfen in Konkurs gehen und Menschen dadurch arbeitslos werden, kann dies nicht im Sinne des Gemeinwohls sein.

Was aber passiert wenn ein Standort, welcher auf Qualität, gute Infrastruktur und einen hohen Bildungsstandard baut, plötzlich eine Discounter-Strategie im Steuerbereich umsetzt? Auf der einen Seite hohe Qualität auf der anderen Seite die tiefsten Unternehmenssteuern der Schweiz. Hohe Qualität zu tiefsten Preisen. Im Kanton Luzern bezahlen aktuell für diese „Strategie“ die Bildung und die Infrastruktur den Preis in Form von Sparpaketionitis. Selbst das Original dieser ursprünglichen Tiefsteuer-Strategie – der Kanton Zug – kämpft mit erheblichen Problemen. Keine Kopie ist so gut wie das Original und auch beim Original ist nicht alles Gold, was glänzt. Trotzdem steht die bürgerliche Mehrheit stramm hinter den tiefen Unternehmenssteuern.

Bleibt die Frage, wer bezahlt den Preis für die tiefsten Unternehmenssteuern der Schweiz und wie nachhaltig ist diese Entwicklung für den Standort? Für mich ist klar, dass der ultratiefe Unternehmens-Gewinnsteueransatz für den Kanton Luzern ruinös ist und von 1.5% auf 2.25% nach oben korrigiert werden muss.

Das Discounterbeispiel hat aber auch seine positiven Seiten. Der gesunde Wettbewerb führt dazu, dass Firmen ihre Strategie, ihre Struktur und ihre Produkte immer wieder hinterfragen und verändern müssen. Dies schadet auch Kantons- und Gemeindeverwaltungen in keiner Weise. Das Nachhaltigkeitsprinzip gilt auch für kommende Generationen. Mir ist es genauso ein Anliegen, dass heute nicht Schulden auf Kosten der kommenden Generationen gemacht werden.

Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient, doch was nützt eine zweite Chance wenn der Schiedsrichter nach 90. Minuten abpfeift und Uli Hoeness mit einem krassen Eigentor die Partie verloren hat? Natürlich wird es ihn am allerwenigsten trösten, dass wohl noch einige prominente Deutsche unversteuertes Geld in der Schweiz parkiert haben. Gerade Uli Hoeness, welcher sich bei Diskussionen um Steuerflüchtlinge gerne als Moralapostel präsentiert hat. Oder um es mit einer Liederzeile der deutsche Band Pur zu sagen; „In der Arena gestern noch der Held. Heute der Typ, der den Hörer falsch herum hält.“ Die Frage nach dem Verlierer ist in der Affäre Hoeness ganz klar beantwortet, doch wer ist eigentlich der Sieger? Sicherlich nicht die Schweiz, die ihrem Ruf als Hort der Steuerhinterziehung wieder einmal alle Ehre macht. Vielleicht die Gerechtigkeit? Vielleicht wobei in dieser Thematik immer wieder  sehr viel Selbstgerechtigkeit und Populismus mitschwingt. Uli Hoeness ist höchstens die Spitze des Eisberges und der nächste prominente Deutsche folgt bestimmt.

Die medial ausgestrahlten Bilder nach dem Bombenanschlag am Boston Marathon erinnerten teilweise an diejenigen des 11. Septembers 2001. Viel Showdemonstration von staatlichen Behörden und noch viel mehr ungeklärte Fragen. Noch heute wartet die Welt auf die Beantwortung von offenen Fragen zum 11. September 2001. Darum muss stark bezweifelt werden, ob die Hintergründe zum Verbrechen in Boston jemals vollends transparent an die Öffentlichkeit gelangen. Nun ist die Zeit sicherheitstechnische Stärke zu demonstrieren. Für einen Augenblick bildet Amerika wieder eine Einheit. Eine Einheit, die sich in den kommenden Tagen und zurück im Alltag schnell wieder verflüchtigen dürfte. Das Selbstverständnis der Supermacht bröckelt an vielen Ecken und Enden. Das Allheilmittel der militärischen Stärke hat nicht erst seit dem 11. September 2001 stetig an Einfluss verloren und ist auch nicht die überzeugende und alleinige Antwort auf den Terrorismus.

Ganz ehrlich ich würde einen typischen Hoffnungsträger im mittleren Altersbereich ansiedeln und dies soll überhaupt nicht diskriminierend gegen ältere Menschen verstanden werden. Einen 87 Jährigen Hoffnungsträger aber ist schon sehr speziell und für ein Land mit über 60 Millionen Einwohnern eine politische Bankrotterklärung. Dass Giorgio Napolitano sich für sein Alter einer beeindruckenden Konstitution erfreuen kann, darf keine Ausrede für die skandalösen politischen Zustände in Italien sein. Ein 87 Jähriger Hoffnungsträger mangels vernünftiger Alternativen ist keine vernünftige Basis für bessere Zeiten eines heruntergewirtschafteten Landes. Sollte Italiens Zukunft trotz selbst ernannter Supermänner wie Silvio Berlusconi ebenfalls bei den Jugendlichen und Jungen liegen, dann braucht das politische System nun definitiv eine Grunderneuerung zugunsten jüngerer und unverbrauchter Politiker.

Wissen sie noch was die Abgeltungssteuer war? Sie können die Frage getrost wieder vergessen, die Abgeltungssteuer ist so gut wie Geschichte. Der automatische Informationsaustausch ist – ganz unabhängig ob wir dies in der Schweiz gut finden oder nicht – das zukünftige Modell. Mit den USA sind wir sogar noch weiter gegangen und haben unter Druck den einseitigen Informationsaustausch bereits praktiziert. Trotzdem scheint sich nun dasselbe Prozedere wie beim bevorstehenden Fall des Schweizer Bankgeheimnisses nach Außen zu wiederholen. Jene Personen, die aus dem Debakel Bankgeheimnis gelernt haben und im Bezug auf den automatischen Informationsaustausch eine pro aktivere Rolle der Schweiz fordern, werden wiederum als Nestbeschmutzer und Pessimisten gebrandmarkt. Heute kann die Schweizer Politik vielleicht noch Einfluss auf die genaue Ausgestaltung des Modells automatischer Informationsaustausch nehmen oder wir übernehmen wieder die Igeltaktik und damit irgendwann den automatischen Nachvollzug ohne Mitgestaltung. Also diesmal Fahrersitz oder wieder die Rückbank wie bei der Selbstdemontage des Bankgeheimnisses?

Waren Sie überrascht, dass gewisse Eliten ihr Geld in den Steueroasen versteckt haben? Wohl kaum. Jeder hat seit Jahren von dieser Geschäftspraxis gewusst. Im Sinne der Gerechtigkeit gegenüber all den Steuerzahlern, die ihre Einkommen und Vermögen regulär versteuern, sind die neuesten Enthüllungen und die volle Transparenz absolut zu begrüssen. So lange jedoch einflussreiche Menschen in Wirtschaft und Politik selber von diesen Oasen profitieren, wird eine volle Trockenlegung aller Steueroasen weltweit ein frommer und naiver Wunsch sein. Der Aufschrei einiger Politiker in Europa über die aktuellen Enthüllungen ist eher heuchlerisch denn glaubwürdig. Schliesslich hat die Schweiz in den letzten Jahren unter eben deren Druck grosse Teile dieser dunklen Kapitel – auch zu Recht - aufarbeiten müssen. Dass nun andere Steueroasen ebenfalls unter Druck geraten, ist ein Gebot der Fairness und im Sinne einer fairen Marktwirtschaft absolut richtig. Trotzdem sind die nun medial verbreiteten Fakten über Steueroasen höchstens die Spitze des Eisberges. Insofern stellt sich die Frage, wie weit diese Enthüllungen eventuell gar bewusst inszeniert worden sind, um eine kleine Minderheit zu opfern und wieder zur Tagesordnung überzugehen.

Bleibe für deine Gegner unberechenbar und kalkuliere mit dem Wahnsinn. Dann signalisiere Gesprächsbereitschaft und kassiere von deinen Gegnern dafür die Belohnung. Seit Jahren ist dies das „Geschäftsmodell“, welches Nordkorea und einen grossen Teil seiner Bevölkerung am Leben erhält. Daneben hilft natürlich auch noch der grosse Bruder China, um diese rückständige Diktatur nicht einstürzen zu lassen. Dass Kim Jong-un den Bau der Atombombe vollenden will - die nächste Stufe der unlogischen Logik – ist nachvollziehbar. Schliesslich wäre dies der höchste Selbstschutz für das Regime und gleichzeitig noch mehr Drohkulisse gegenüber seinen Gegnern. Der Mensch hat den Wahnsinn Atombombe geschaffen und irgendwann wird nach den Amerikanern irgendjemand diese Waffe wieder einsetzen.

Die mediale Überhäufung mit Superlativen, welche die Wahl des neuen Papstes Franziskus umschrieb, ist tatsächlich einzigartig. Ähnlich zur letzten Papstwahl aber sind die unermesslichen Erwartungen an das neue katholische Oberhaupt. Und schon kurz nach der Wahl spekulierten Vatikanexperten auch schon über den Stil, welcher unter dem neuen Papst Einzug halten soll. Ein ähnliches Prozedere wie bei der Wahl von Joseph Ratzinger. Und wie so oft, liegt die Wahrheit dann im Nachhinein irgendwo zwischen allen Spekulationen. Eines aber ist sicher klar. Bei der so vielseitigen Erwartungshaltung an den Papst, kann dieser eigentlich nie etwas ganz richtig machen. Entweder ist er zu konservativ oder zu progressiv. Die katholische Kirche wird sich sicherlich nicht von oben nach unten reformieren sondern umgekehrt. Statt auf den Papst zu hoffen, dass sich etwas ändert, braucht es Vorstöße wie die Pfarrei-Initiative, um konstruktiven Druck von der Basis zu erzeugen.

Frankreich und Grossbritannien gehören zu den weltweit grössten Waffenexporteuren und wollen die gemässigte syrischen Opposition – nach dem Ende Mai das EU Waffenembargo gegen Syrien auslaufen wird – mit Waffen beliefern. Wie stellen diese Staaten sicher, dass in einer solch unübersichtlichen Bürgerkriegs-Situation wie in Syrien, nur so genannt gemässigte Oppositionelle mit Waffen bestückt werden und wie wird gemässigt in diesem Situation überhaupt definiert? Ist es nicht absurd mit Waffen also Mitteln des Krieges, Leid lindern zu wollen und den Krieg zu beenden? Ja dies ist definitiv absurd, doch leider die herrschende Praxis. Mal abgesehen von aller Moral und Ethik. Das Geschäft mit Rüstungsgütern floriert doch dann meisten, wenn unsichere Zeiten und Krieg herrscht. Und warum soll sich ausgerechnet die Rüstungsindustrie an ethischen und moralischen Werten orientieren? In diesem Bereich muss die Politik diese Leitplanken definieren. Doch weder Frankreich noch Grossbritannien können sich in diesen ökonomischen Krisenzeiten eine serbelnde Rüstungsindustrie erlauben.

Ein Bild ging um die Welt. Der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un beobachtet von einem Militärstützpunkt aus mit einem Feldstecher die nähere Umgebung. Währenddessen die dazugehörige Nachricht für den nordkoreanischen Diktatur nicht neu ist. Drohung an an den Rest der Welt, der mitunter dafür sorgt, dass das nordkoreanische Staat nicht vollends kollabiert. Für die Atombombe müssen halt gewisse „Kollateralschäden“ in Kauf genommen werden. Bomben statt Nahrung. Diktatur statt Freiheit. Arbeitslager und Folter für die Systemkritiker und das Zuckerbrot für die Systemeliten. Nordkorea lebt noch dank der Hilfe von China. Was auch immer der nordkoreanische Jungdiktator durch den Feldstecher sieht, es wird hoffentlich eine bessere Zukunft für Nordkorea ohne ihn sein.

Lasst die katholische Inszenierung im Vatikan beginnen. Während der kommenden Tage treten all die Missstände in der katholischen Kirche in den Schatten der Papstwahl. Die Geheimhaltungsmaßnahmen und das Pompöse rund um die Wahl des Papstes haben so gar nichts mehr gemein mit den ursprünglichen Werten des Christentums. Doch Transparenz und Bodenständigkeit scheinen am katholischen Hauptsitz in Rom nicht angesagt zu sein. Im Vergleich zur Vatikanbank, deren Geschäftsgebaren mit Moral und Ethik bisher so gar nichts am Hut hatte, haben unsere hiesigen Banken die Vergangenheit schon mehr oder weniger aufgearbeitet. Die lange Verschleierung und Verharmlosung des Missbrauchs an den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft. Noch heute treten hohe katholische Würdenträger wegen sexuellen Missbräuchen oder wegen der Verschleierung von solchen Taten zurück. Doch all dies geht aktuell im Rauch der Papstwahl unter. Dass unter dem neuen Papst mehr Transparenz Einzug halten wird, ist zu bezweifeln. Zu viele aktuelle Würdenträger haben zu viel zu verlieren. Wer aber das Banner der Moral hochhalten will, der muss sich an seinen Grundsätzen messen lassen. Der Druck der Basis in aufgeklärten Ländern wird anhalten, egal wie der neue Papst heisst und dies ist gut so.

Den verantwortlichen Exponenten bei Economiesuisse böte die Abstimmungsniederlage zur Abzockerinitiative sehr viel an Potenzial zur Selbstreflexion.  Schliesslich vertritt dieser wichtige Verband immerhin Firmen mit rund 2 Millionen Arbeitsplätzen in der Schweiz. Trotzdem ist die Distanz zur abstimmenden Bevölkerung zusehends gewachsen. Niemand bestreitet die schwierige Aufgabe  den Interessenspagat von KMU und nationalen/internationalen Multis unter einen Hut zu bringen. Schliesslich ging es bei der Abzockerei hauptsächlich um letztere. Die Aussagen von Präsident Rudolf Wehrli nach der Abstimmung bieten nicht unbedingt Anlass zur Hoffnung , dass sich der Graben zwischen Bevölkerung und Economiesuisse bald einmal verkleinern wird im Gegenteil. Angeblich sind einige Firmen schon auf dem Weg die Schweiz zu verlassen. Natürlich kann Rudolf Wehrli keine Namen nennen, am besten hätte er darum gar nichts gesagt. Regelmässige Standortevaluationen von Firmen sind absolut normal. Doch meistens beruhen diese Standortvergleiche auf Fakten. Bei einer Annahme einer Initiative, die erst noch gesetzlich umgesetzt werden muss, liegt noch sehr viel im Argen. Auf dieser Basis einen Wegzug zu planen, wirkt nicht sehr rational. Was im Übrigen auch auf die derzeitige Kommunikation von Economiesuisse zutrifft. Souveränität jedenfalls ist anders.

Nach dem die olympischen Spiele mit jeder neuen Austragung noch gigantischer geworden sind, hat das IOC die ganze Konzeption vollends umgestaltet. Die Schweiz soll 2042 kleine und nachhaltige Winterspiele durchführen. Nachdem das IOC ab 2018 die steigenden Jahresgewinne in der Schweiz nun endlich versteuern muss, wird der Bundesrat die Einnahmen bis 2041 auf ein Sperrkonto einzahlen und so die entstehenden Kosten für die Olympia 2042 vollends damit decken können. Ein wirklich schönes Märchen, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Eine Mehrheit der Bündner hat 2013 einen realistischen und vernünftigen Entscheid getroffen. Zum heutigen Zeitpunkt sind Aufwand und Ertrag von olympischen Spielen in einem krassen Missverhältnis zuungunsten des Veranstalters.

Schweizer Arbeitnehmer/innen gehören zu den treusten und fleissigsten Mitarbeitern weltweit. Die Identifikation mit Unternehmungen und dem Beruf ist sehr hoch. Was eine erdrückende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung jedoch nicht mag, ist Abzockerei, parlamentarische Spielchen und eine überzogene Ungleichheit. Vor 20 Jahren wären für eine Abzockerinitiative wohl nicht einmal die 100‘000 notwendigen Unterschriften zusammen gekommen, doch die Zeiten haben sich geändert. Die jahrelange Bereicherung einer kleinen Wirtschaftselite, die die gut schweizerische Bodenständigkeit mit Füssen getreten hat, stand am Anfang der Abzockerinitiative. Liberale Werte in allen Ehren, aber nicht auf Kosten von Masslosigkeit, Gier und Ungleichheit. Economiesuisse hat jahrelang beide Augen vor der Abzockerei verschlossen und war darum auch kein glaubwürdiger Repräsentant des indirekten Gegenvorschlages. Erfolgreiche Unternehmungen sind oft das Ergebnis einer funktionierenden Teamarbeit und keine One-man-show. Dies gilt auch für die Verteilung des Erfolgskuchens. Es ist zu hoffen, dass dieser Ja Brief mit 1‘615‘720 Ausrufezeichen zur Abzockerinitiative bei den Adressaten Politik und Wirtschaft nun zur längst fälligen Selbstreflexion führt.

In der Schweiz muss niemand fürchten zu verhungern und trotzdem haben wir ebenfalls eine hohe Zahl an Armutsbetroffenen, die auf oder unter dem Existenzminimum leben. Diese Menschen tun sich tagtäglich schwer, sich mit ihrem sehr eingeschränkten Budget vernünftig eindecken zu können. Von vielen Privilegien, die für den Mittelstand und die reicheren Schichten sowieso selbstverständlich sind,  können armutsbetroffene Menschen nur träumen. Vor unseren Augen werden nun Lebensmittel, welche ohne Gefahr noch konsumierbar sind, wegen fehlender Rückverfolgung der Rohstoffe vernichtet. Die gequälten Pferde sind damit nicht nur schmerzvoll sondern auch noch sinnlos gestorben. Gesetze und Regeln sind da eingehalten zu werden, doch es gibt da auch noch das berühmte Sprichwort, dass Ausnahmen die Regeln bestätigen. Im Falle der Fertigprodukte mit Pferdefleisch führt die Einhaltung der Regel, den letzten Rest von Ethik ab absurdum. Was wäre denn passiert, wenn die Falschdeklaration nicht zufällig aufgeflogen wäre? Respektive wer weiss schon, ob dies die erste Produktion mit Pferdefleisch statt Rind war? Die Produkte wären von Konsumenten gegessen worden. Nun landen diese auf dem Müll. Wahrhaft die Kumulation und der traurige Abschluss von skandalösen Zuständen.

Das Beste kommt zuletzt, dies ist sicherlich kein falsches Fazit zum Pontifikat von Papst Benedikt XVI. Mit seinem Rücktritt, der gleichzeitig einem Eingeständnis für die menschlichen Schwächen eines Papstes gleichkommt, hat Benedikt XVI. ein modernes Zeichen gesetzt. Mal davon abgesehen, dass beinahe niemand die Zukunft vorhersehen kann, wird aber sein Nachfolger kaum in Reformeifer verfallen. Der Vatikan befindet sich zwar in Europa, doch die Christen auf den anderen Kontinenten haben andere Frage und Wünsche an den Papst als die katholischen Europäer. Gerade dies müsste die Kirchenoberen im Vatikan dazu bewegen, den Zentralismus endlich zu lockern und mehr Verantwortung und Kompetenzen an regionale Amts- und Würdenträger zu delegieren. Die sich leerenden Kirchen und die schrumpfende katholische Basis in Europa sind ein Faktum und keine Erfindung von Kirchenkritikern. Nur mit der Vergangenheit die bewegenden Fragen und Herausforderungen der Zukunft beantworten zu wollen, führt in eine Sackgasse. In Europa heisst dies mehr Einbezug der Basis in Fragen des Alltags wie die Rolle der Frau in der Kirche, das Zölibat und auch lückenlose Aufklärung der von der katholischen Kirche begangenen Verbrechen. Eine glaubwürdige Institution kann für sich nicht die Moral reklamieren, wenn sie selber dagegen verstösst. Menschen suchen menschliche Antworten und keine abgehobenen und weltfremden Erklärungen von einem übermenschlich dargestellten Stellvertreter Gottes auf Erden.

Ultrabillig, Schnäppchenjagd, Lebensmittelskandal? Eine Fertiglasagne made in Europe sorgt derzeit für die ganz grossen Schlagzeilen in Europa. Bevor das mit Pferdefleisch statt Rind vermengte Produkt in den Einkaufswagen der Konsumenten landete, hat es schon halb Europa bereist. Natürlich darf auch der allgemeine Aufschrei nach einem weiteren Lebensmittelskandal respektive einer Konsumenten-Täuschung nicht ausbleiben. Die gute Nachricht dabei ist, als Konsumenten könnten wir ganz einfach dafür sorgen, dass solche Produkte automatisch aus dem Regal verschwinden. Nicht mehr kaufen. Die schlechte Nachricht jedoch ist, dass eine genaue Analyse der einzukaufenden Produkte die durchschnittlich reservierte Zeit für einen Einkauf bei weitem überschreiten würde. Hinzu kommt die Binsenwahrheit, dass Qualität auch ihren Preis hat. Gerade beim Fleisch – egal ob Pferd, Rind oder ein anderes Produkt – sind die Preisunterschiede zwischen importierten und Schweizer Produkten teilweise sehr markant. Was ist dem Konsumenten letztlich Qualität und auch das Tierwohl wert? Bei günstigen und verarbeiteten Fertigprodukten müssen die Rohstoffe ebenfalls günstig sein, was die Schweiz als Herkunft beinahe immer ausschliesst. Jeder Lebensmittelskandal ist einer zu viel und der mediale Aufschrei erfolgt zu Recht. Vergessen sie den Aufschrei aber nicht bei ihrem nächsten Lebensmitteleinkauf, Qualität hat eben einen gewissen Preis und bei Fleischprodukten kommt noch das Tierwohl dazu.

Pascal Merz Sursee